Das unsichtbare Erbe – über die Spuren alter Reinheitsideale

Heute bin ich im Netz über einen Beitrag gestolpert, der mich nachdenklich gemacht hat. Das Thema war mir nicht neu – doch das tatsächliche Ausmaß dessen, was damals geschah, war mir in dieser Deutlichkeit bisher nicht bewusst.

Der Beitrag war recht lang, ich habe ihn nicht vollständig angeschaut. Dennoch nahm ich ihn zum Anlass, selbst weiter zu recherchieren.

Was ich sah, waren alte Werbefilme aus den 1940er-Jahren. Allerdings nicht für Waschmittel oder Haushaltswaren, sondern für ein Insektizid: DDT (Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan).

Die Schwarzweißaufnahmen waren mit heroischer Musik unterlegt, begleitet von einer euphorischen Männerstimme. Männer sprangen von Tanklastern und versprühten das Mittel großzügig – in Flüsse, auf Felder, in Wohngebiete, Gärten und sogar in Schwimmbäder. Flugzeuge flogen über Landstriche und verteilten das Gift großflächig von oben.

Die US-Navy produzierte 1944 und 1945 mehrere dieser Filme und zeigte darin, wie DDT Menschen auf Kopf und Kleidung gesprüht wurde – im Kampf gegen Typhus und Läuse. Die Bevölkerung wurde animiert, Hauseingänge, Fensterrahmen, Mülleimer, Abflüsse und Küchenregale mit einer DDT-Farbe zu streichen.
Alles sollte insektenfrei sein. Klinisch rein.

Es war buchstäblich überall.

Wenn es richtig angewendet werde, hieß es, sei es völlig harmlos für Mensch und Tier.

(Mir stellte sich unweigerlich die Frage, ob Insekten denn keine Tiere seien? Nun, in Werbefilmen von 1946 anscheinend noch nicht.)

Wozu das Ganze?

DDT wurde als Insektizid eingesetzt: gegen Käfer, Mücken, Läuse – alles, was Ernten schädigte oder Krankheiten übertrug. Es wurde wortwörtlich als „good for you“ beworben und sogar als Nahrungsergänzungsmittel angeboten. Menschen nahmen es freiwillig ein und versprühten es in ihren Häusern.

Weltweit wurde es als Pestizid eingesetzt.

Und was geschah in Deutschland?

Weitere Recherchen zeigten: Auch hierzulande wurde DDT während der Kriegsjahre intensiv genutzt – gegen den Kartoffelkäfer, zur Läusebekämpfung und als Fliegenmittel.


Andere Länder hatten andere Einsatzgebiete: die Schweiz in den 1950ern gegen Maikäferplagen, die USA bis in die 1960er gegen den Ulmensplintkäfer, die DDR gegen den Borkenkäfer – teilweise noch bis in die 1980er-Jahre.

In Regionen wie Brandenburg ist DDT bis heute in erhöhten Konzentrationen im Waldboden nachweisbar.

Upsi.

Das lange Echo eines „Wundermittels“

Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass sich DDT wegen seiner chemischen Stabilität und Fettlöslichkeit im Gewebe von Menschen und Tieren anreichern kann … blöd jetzt. Bei Vögeln – insbesondere Greifvögeln – führte es zu deutlich dünneren Eierschalen. Die Population der Wanderfalken brach stark ein und wurde zu einem der ersten Warnsignale.

Auch beim Menschen traten Hinweise und Verdachtsmomente auf mögliche Zusammenhänge mit gesundheitlichen Problemen auf: unter anderem mit bestimmten Krebserkrankungen, genetischen Veränderungen, verringerter Spermienzahl, vorzeitiger Wehentätigkeit, Totgeburten und neurodegenerativen Erkrankungen. Eindeutige Nachweise sind jedoch schwierig, da meist mehrere Umwelt- und Lebensfaktoren gleichzeitig wirken.

DDT gilt zudem als endokriner Disruptor – ein Stoff, der hormonähnlich wirkt oder hormonelle Prozesse hemmt. In diesem Zusammenhang werden auch Erkrankungen wie Endometriose diskutiert, auch wenn belastbare Kausalnachweise schwer zu führen sind.

Bereits ungeborene Kinder kommen über die Plazenta mit DDT-Isomeren in Kontakt, später über die Muttermilch. So wird der Stoff unbemerkt weitergegeben – über Generationen hinweg.

DDT lagert sich unter anderem in der Leber ab. Die biologische Halbwertzeit beträgt etwas mehr als ein Jahr: Erst dann ist etwa die Hälfte (!!!) der aufgenommenen Menge wieder abgebaut. Die andere Hälfte kann munter weiterwirken und weitergegeben werden … Diese Halbwertzeit gilt nicht nur für den menschlichen Körper, sondern ebenso für Boden, Luft, Pflanzen und Gewässer.

Man kann nicht einmal halbwegs sinnvoll überschlagen, bis wann es also wirklich nicht mehr nachweisbar ist ­– weil es einfach überall vorhanden ist.

Korrekturmaßnahmen?

In den meisten westlichen Industrieländern wurde DDT in den 1970er-Jahren wieder verboten. Aber Achtung: in den Industrieländern! In anderen Regionen wird es bis heute eingesetzt – etwa zur Bekämpfung von Malaria übertragenden Insekten. Die betroffenen Mücken entwickeln jedoch zunehmend Resistenzen.

Noch im Jahr 2006 empfahl die WHO ausdrücklich den Einsatz von DDT in Innenräumen zur Malariabekämpfung.

Vielleicht ist DDT einer von vielen Faktoren, der dazu beigetragen haben könnten, dass die Generationen nach 1940 zunehmend mit gesundheitlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Welche Ursachen im Einzelnen wirken, lässt sich heute kaum noch trennscharf feststellen – doch die massive Umweltbelastung jener Zeit dürfte eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben.

Mir war bewusst, dass es seit Beginn der Industrialisierung eine stark erhöhte Umweltbelastung für den Menschen gibt und dass dies einer der Gründe für die sinkende Gesundheit der Gesellschaft ist.

Doch die Bilder dieser flächendeckenden, beinahe euphorischen Verbreitung eines Gifts – bis hinein in Haushalte und Nahrung – eröffneten mir eine völlig neue Dimension.

Was ist zu tun?

Tja, der Schaden ist angerichtet. Rückgängig machen lässt sich das nicht.  

Aber jeder kann zumindest für sich selbst schauen. Es beginnt damit, sich diese Dinge bewusst zu machen und nicht wegzuschauen – ohne dabei ins Drama zu rutschen.

Wieder zu lernen, wie alles zusammenhängt:

  • im Körper selbst,
  • zwischen Körper, Seele und Geist
  • und zwischen Mensch und Umwelt.

Ich nehme dieses Wissen für mich zum Anlass, künftig noch bewusster mit meinem Körper umzugehen und aufmerksam zu beobachten, wie er auf Entlastungs- und Regenerationsphasen reagiert.

Und die Augen und Ohren offenhalten für das, was noch entdeckt und offengelegt werden möchte.

Um wirklich zu begreifen – mich und die Welt.

Stück für Stück.

Oh, hallo 👋
Schön, dich zu treffen.

Trag dich ein, wenn du über meine neuesten Blogbeiträge informiert werden möchtest.

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert